die szene hatte ich zwar schon ein paarmal.
aber ich werde ja nicht müde, mein zeug zu elaborieren. außerdem sehe ich es hier quasi gedruckt und gehe noch zig mal drüber, bevor ich auf die veröffentlichen-taste drücke ...
*rechtfertigt sich
**elaboriert
„Ah, Kommissar Leichhardt! Versuchen Sie es mit einem Psychogramm dieser verrückten Familie?“ Frenetisch schüttelte ihm Gilles Baldwin die Hand und Leichhardt musste für einen Moment die Augen vor seinem bordeauxroten Tweedanzug mit maisgelbem Rollkragenpullover verschließen. Unzufrieden wies Baldwin auf Bodo, der verweint und rührselig die Beileidsbezeugungen der Trauergäste entgegennahm. Bis vor einigen Tagen hatte er gedacht, seinen Freund zu kennen, jetzt musste er feststellen, dass er nur ein unselbstständiges Papasöhnchen war.
„Es nimmt ihn alles sehr mit“, sagte Leichhardt unparteiisch.
Baldwin sah ihn entrüstet an. „Ich bitte Sie! Er ertrinkt in Schuldgefühlen! Dabei hat sein Vater sich überhaupt nicht für ihn interessiert! Wozu also die Trauer? Er wird etwas Schönes erben – hopefully no horse! – und dann kann er sich endlich seiner Kunst widmen. Und mir.“
„Wovon leben Sie eigentlich, Mr. Baldwin?“, fragte Leichhardt, auf den Zusammenhang gebracht.
„Gilles, bitte. Ich unterrichte Englisch in Frankfurt. Die Schule zahlt mir nur dreizehnfünfzig die Stunde, also ist der Boss, wie Sie sich vorstellen können, ein Halsabschneider. Die Bezahlung sei leistungsgerecht, hat er mir beim Einstellungsgespräch gesagt, also leiste ich seit Jahren, ich leiste und leiste, bilde mich weiter, arbeitete am Computer, leiste und leiste, am Beamer, an der Videokamera, leiste und leiste. Und? Bekomme ich mehr Geld? Na?“
„Nein, Mr. Baldwin“, riet der Kommissar.
„Gilles. Ich kann den Kerl noch nicht mal unter Druck setzen mit einem anderen Arbeitsplatz. Ich habe keinen! Sie streichen alle im Bildungsbereich! Deutschland ist ermüdend, wirklich, eine gelähmte Nation. Auf der einen Seite will man als Ausländer nicht, dass das Land zu tatkräftig wird – Sie verstehen? – auf der anderen Seite nutzt es niemandem, wenn es weiter in dieser Haltung eines gestrandeten Wals liegenbleibt.“ Bekümmert hielt er einen Moment inne. „Das einzig Gute an Eddie – meinem Chef - ist, dass er eine Stimme wie Robert de Niro hat. Kennen Sie De Niros Stimme?“
Leichhardt hatte ein Jahr in den U.S.A. studiert und sich die trüben Abende in der Provinz mit Fernsehen vertrieben. Natürlich kannte er De Niros Stimme.
„Dann wissen Sie ja, was ich durchmache.“ Wohlgefällig landete Baldwins Blick auf dem schneidigen Jungkommissar Jurgeit, aber als er seinen Ehering entdeckte, wandte er sich enerviert wieder ab. „Wie auch immer. Ich bin wirklich sehr gespannt, wer von diesen Psychopathen hier den Mord begangen hat. Er ist sicher anwesend, wer schaut am meisten an Ihnen vorbei, Herr Kommissar? Dann haben wir ihn.“ Forschend betrachtete er die Trauergemeinde. „Albrecht war ja ein solches Ekel, sie hatten alle gute Motive, um ihn in - wie sagen Sie in Deutschland? - die ewigen Jagdgründe zu befördern. Seit Jahren habe ich das kommen sehen. Lassen Sie mich raten", nachdenklich richtete er den Blick auf die engen Familienmitglieder am Grab und überlegte einen Augenblick," ... ich tippe auf Christian. Morgens aufzuwachen und in das abstoßende Gesicht seines Bruders zu schauen, muss eine außergewöhnliche, um nicht zu sagen, eine den Selbstmord provozierende Belastung für ihn gewesen sein. Normalerweise sieht man sich mit der eigenen Hässlichkeit nicht in einem Gegenüber gespiegelt. Aber bei dieser Ähnlichkeit zwischen den beiden? Das würde jeden an den Rand des Wahnsinns treiben. Ein Amoklauf erscheint wie die natürlichste Reaktion der Welt. Alles andere wäre unnatürlich, um nicht zu sagen – wie kann man das auf deutsch ausdrücken? – heroisch?“
*rechtfertigt sich
**elaboriert
„Ah, Kommissar Leichhardt! Versuchen Sie es mit einem Psychogramm dieser verrückten Familie?“ Frenetisch schüttelte ihm Gilles Baldwin die Hand und Leichhardt musste für einen Moment die Augen vor seinem bordeauxroten Tweedanzug mit maisgelbem Rollkragenpullover verschließen. Unzufrieden wies Baldwin auf Bodo, der verweint und rührselig die Beileidsbezeugungen der Trauergäste entgegennahm. Bis vor einigen Tagen hatte er gedacht, seinen Freund zu kennen, jetzt musste er feststellen, dass er nur ein unselbstständiges Papasöhnchen war.
„Es nimmt ihn alles sehr mit“, sagte Leichhardt unparteiisch.
Baldwin sah ihn entrüstet an. „Ich bitte Sie! Er ertrinkt in Schuldgefühlen! Dabei hat sein Vater sich überhaupt nicht für ihn interessiert! Wozu also die Trauer? Er wird etwas Schönes erben – hopefully no horse! – und dann kann er sich endlich seiner Kunst widmen. Und mir.“
„Wovon leben Sie eigentlich, Mr. Baldwin?“, fragte Leichhardt, auf den Zusammenhang gebracht.
„Gilles, bitte. Ich unterrichte Englisch in Frankfurt. Die Schule zahlt mir nur dreizehnfünfzig die Stunde, also ist der Boss, wie Sie sich vorstellen können, ein Halsabschneider. Die Bezahlung sei leistungsgerecht, hat er mir beim Einstellungsgespräch gesagt, also leiste ich seit Jahren, ich leiste und leiste, bilde mich weiter, arbeitete am Computer, leiste und leiste, am Beamer, an der Videokamera, leiste und leiste. Und? Bekomme ich mehr Geld? Na?“
„Nein, Mr. Baldwin“, riet der Kommissar.
„Gilles. Ich kann den Kerl noch nicht mal unter Druck setzen mit einem anderen Arbeitsplatz. Ich habe keinen! Sie streichen alle im Bildungsbereich! Deutschland ist ermüdend, wirklich, eine gelähmte Nation. Auf der einen Seite will man als Ausländer nicht, dass das Land zu tatkräftig wird – Sie verstehen? – auf der anderen Seite nutzt es niemandem, wenn es weiter in dieser Haltung eines gestrandeten Wals liegenbleibt.“ Bekümmert hielt er einen Moment inne. „Das einzig Gute an Eddie – meinem Chef - ist, dass er eine Stimme wie Robert de Niro hat. Kennen Sie De Niros Stimme?“
Leichhardt hatte ein Jahr in den U.S.A. studiert und sich die trüben Abende in der Provinz mit Fernsehen vertrieben. Natürlich kannte er De Niros Stimme.
„Dann wissen Sie ja, was ich durchmache.“ Wohlgefällig landete Baldwins Blick auf dem schneidigen Jungkommissar Jurgeit, aber als er seinen Ehering entdeckte, wandte er sich enerviert wieder ab. „Wie auch immer. Ich bin wirklich sehr gespannt, wer von diesen Psychopathen hier den Mord begangen hat. Er ist sicher anwesend, wer schaut am meisten an Ihnen vorbei, Herr Kommissar? Dann haben wir ihn.“ Forschend betrachtete er die Trauergemeinde. „Albrecht war ja ein solches Ekel, sie hatten alle gute Motive, um ihn in - wie sagen Sie in Deutschland? - die ewigen Jagdgründe zu befördern. Seit Jahren habe ich das kommen sehen. Lassen Sie mich raten", nachdenklich richtete er den Blick auf die engen Familienmitglieder am Grab und überlegte einen Augenblick," ... ich tippe auf Christian. Morgens aufzuwachen und in das abstoßende Gesicht seines Bruders zu schauen, muss eine außergewöhnliche, um nicht zu sagen, eine den Selbstmord provozierende Belastung für ihn gewesen sein. Normalerweise sieht man sich mit der eigenen Hässlichkeit nicht in einem Gegenüber gespiegelt. Aber bei dieser Ähnlichkeit zwischen den beiden? Das würde jeden an den Rand des Wahnsinns treiben. Ein Amoklauf erscheint wie die natürlichste Reaktion der Welt. Alles andere wäre unnatürlich, um nicht zu sagen – wie kann man das auf deutsch ausdrücken? – heroisch?“
Anobella - 3. Mai, 07:09
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