Das Heizungssystem des Wiesbadener Polizeipräsidiums
hatte übertrieben auf den überraschenden Wintereinbruch im Februar reagiert und sämtliche Rohre aufgedreht. Von Ludwig Leichhardts Stirn perlte der Schweiß, als er versuchte, den Heizkörper in seinem Büro runterzudrehen.
„Ludwig! Hör auf, an dem Ding rumzumachen, die Heizung wird übers Thermostat geregelt. Zentral!“ Sein Kollege Manfred Schorndorf war ein kleiner, dunkelhaariger Dickbauch mit Koteletten und goldener Uhr, der seinem Äußeren nach eher nach Sizilien als nach Wiesbaden gepasst hätte. Er saß im T-Shirt da und ließ schon seine Fingerknöchel knacken.
„Im Moment regelt da nichts!“ Leichhardt fiddelte an der Heizung herum. Schließlich gab er es auf, zog sich seinen Pullover über den Kopf und warf ihn über den Stuhl.
Dann rückte er sein Hemd zurecht und wandte sich Edmund zu. „Wir haben Sie hierher gebeten, Herr Görtz, um mit Ihnen den Stand der Ermittlungen im Fall Arnold Menz durchzugehen. Er wird immer noch vermisst, ist nie wieder aufgetaucht. Es ist jetzt ... “, der Kommissar sah auf den Kalender an der Wand, „... fast zwei Monate her.“
Edmund schwitzte. Was ihn ärgerte. Auf der Fahrt nach Wiesbaden hatte er sich fest vorgenommen, cool zu bleiben. Aber nun spielte ihm das Wetter diesen Streich. Beziehungsweise dieses Polizeipräsidium, das seine Heizungsanlage nicht im Griff hatte. Er erinnerte sich an das neue Frankfurter Präsidium an der Adickesallee. Das war doch etwas anderes. Natürlich hatte man seine Kritikpunkte gegenüber diesem überdimensionierten schwarzen Gebäudekomplex. Aber es war einfach modern. Nicht so abgewetzt wie das hier. Er sah sich in dem Großraumbüro um. Die Sperrholzmöbel schätzte er auf späte Achtziger.
Sie hatten in Wiesbaden wohl nicht besonders viel zu tun. Ein Praktikant lümmelte am Computer herum. In der Ecke stand eine Tür zu einem Büro weit offen, in dem keiner drin war. Wieviele Leichen sie im Jahr hier hatten? Zehn? Zwanzig?
„Ihr Blog gefällt mir gut“, sagte er zu Leichhardt, als wäre das Gespräch bereits beendet.
Dieser Schorndorf musterte ihn von oben bis unten. Unangenehmer Typ. Schien wenig Lust zu haben, sich über Blogs zu unterhalten.
Leichhardt rollte mit seinem Drehstuhl von dem glühenden Heizkörper weg und kam auf unangenehmer Tuchfühlung mit Edmund zum Stehen.
Er rückte diskret ein Stück nach hinten.
„Ich hatte dir ja erzählt, Manfred, dass Edmund Görtz auch ein Blog hat“, setzte Leichhardt seinen Kollegen ins Bild.
Schorndorf grunzte. „Ich hasse Blogs. Bevor du weißt, wer dir antwortet, kotzt er dich schon voll.“
„Manfred.“
„Ist doch wahr! Und Hagenmeister will mir die ganze Zeit erzählen, wie toll das alles ist! Kommissare sollen Kriminalnachrichten in die ganze ganze Welt funken! Spinne ich? Online-Kolumnisten werden? der ist wohl nicht ganz dicht. Das soll er mal schön selber machen! Oder die Pressestelle! Wofür ist sie da?.“ Anklagend sah er Leichhardt an. „Aber du machst da ja auch noch mit ...“
Leichhardt unterbrach seine Suada. „Es ist ein interaktives Format, Manfred, das es uns erlaubt, direkt mit dem Bürger zu kommunzieren.“
„Aber wer will das? Ich nicht. Ich kommunziere genug mit den Bürgern, danke. Ich probiere rauszukriegen, wen sie gerade wieder gekillt haben. Das reicht mir völlig an Bürgern.“ Schlechtgelaunt sah er Edmund an. „Haben Sie diesen ... wie heißt er nochmal ... Arnold Menz umgebracht? Eh?“
Entrüstet schlug Edmund mit der Hand auf den Tisch. „Ich habe niemanden umgebracht!“
Schorndorf sah ihn scharf an. Nahm sich die Akte Arnold Menz vor und blätterte darin. „Wann ist der Mord passiert? Bring mich doch mal auf den Stand, Ludwig!“
„Es gibt keine Leiche, Manfred.“
„Oho!“, Schorndorf hob den Zeigefinger, „Es gibt keine Leiche. Das ist ja ganz neu! Wär ja auch zu schön gewesen! Dass wir hier zu tun gehabt hätten!“ Wieder fixierte er Edmund. „Aber wenn wir sie nicht haben, haben Sie sie wahrscheinlich?“
Edmund hatte den Faden verloren. „Wen?“
„Die Leiche! Weil ...“, wiederholte der Kommissar, „bei uns ist sie nicht!“
Edmund zog die Augenbrauen hoch. „Bei mir auch nicht.“
Schondorf blätterte in den Unterlagen und versuchte es anders. „Okay. Sie haben für die Mordnacht also ein Alibi?“
Hilflos wanderte Edmunds Blick zu Leichhardt. „Welche Mordnacht?“
„Das wüsste ich auch gern.“, knurrte der.
Edmund war nicht klar, ob Leichhardt wirklich gereizt war, weil Schorndorf ungebeten das Verhör übernommen hatte oder ob sie alles so abgesprochen hatten, um Edmund in die Enge zu treiben.
„Sakrament ... wann wurde der Komiker umgebracht ... wo ist es ... Menschenskind .... dass mal eine Ordnung in deinen Akten herrschen würde, Ludwig ... laut Aussage dieser ... dieser ... wie heißt die jetzt wieder ... ach so, kapiere ... dieser Nachbarin ... hat sie Menz ... ja, hier ist es ... das gehört angemarkert, Ludwig! ... am 27. Dezember das letzte Mal gesehen. Um Vier.“ Sein Blick wanderte in Edmunds Gesicht. „Wo waren Sie am 27. Dezember? Um Vier, Herr ... wie heißen Sie überhaupt?“
„Görtz“, sagte Edmund matt.
„Herr Görtz.“
Er schüttelte den Kopf. „Wo ich war? Sie stellen vielleicht Fragen! Woher soll ich das wissen?“
„Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind!“, herrschte Schorndorf ihn an. „Das dürfte ja nicht schwer zu rekonstruieren sein! Zwischen den Jahren! Lauter Feiertage! Wo haben Sie den zweiten Weihnachtsfeiertag verbracht?“ Schorndorf flatschte ihm einen Kalender hin. „Vielleicht hilft das ja.“
„Ludwig! Hör auf, an dem Ding rumzumachen, die Heizung wird übers Thermostat geregelt. Zentral!“ Sein Kollege Manfred Schorndorf war ein kleiner, dunkelhaariger Dickbauch mit Koteletten und goldener Uhr, der seinem Äußeren nach eher nach Sizilien als nach Wiesbaden gepasst hätte. Er saß im T-Shirt da und ließ schon seine Fingerknöchel knacken.
„Im Moment regelt da nichts!“ Leichhardt fiddelte an der Heizung herum. Schließlich gab er es auf, zog sich seinen Pullover über den Kopf und warf ihn über den Stuhl.
Dann rückte er sein Hemd zurecht und wandte sich Edmund zu. „Wir haben Sie hierher gebeten, Herr Görtz, um mit Ihnen den Stand der Ermittlungen im Fall Arnold Menz durchzugehen. Er wird immer noch vermisst, ist nie wieder aufgetaucht. Es ist jetzt ... “, der Kommissar sah auf den Kalender an der Wand, „... fast zwei Monate her.“
Edmund schwitzte. Was ihn ärgerte. Auf der Fahrt nach Wiesbaden hatte er sich fest vorgenommen, cool zu bleiben. Aber nun spielte ihm das Wetter diesen Streich. Beziehungsweise dieses Polizeipräsidium, das seine Heizungsanlage nicht im Griff hatte. Er erinnerte sich an das neue Frankfurter Präsidium an der Adickesallee. Das war doch etwas anderes. Natürlich hatte man seine Kritikpunkte gegenüber diesem überdimensionierten schwarzen Gebäudekomplex. Aber es war einfach modern. Nicht so abgewetzt wie das hier. Er sah sich in dem Großraumbüro um. Die Sperrholzmöbel schätzte er auf späte Achtziger.
Sie hatten in Wiesbaden wohl nicht besonders viel zu tun. Ein Praktikant lümmelte am Computer herum. In der Ecke stand eine Tür zu einem Büro weit offen, in dem keiner drin war. Wieviele Leichen sie im Jahr hier hatten? Zehn? Zwanzig?
„Ihr Blog gefällt mir gut“, sagte er zu Leichhardt, als wäre das Gespräch bereits beendet.
Dieser Schorndorf musterte ihn von oben bis unten. Unangenehmer Typ. Schien wenig Lust zu haben, sich über Blogs zu unterhalten.
Leichhardt rollte mit seinem Drehstuhl von dem glühenden Heizkörper weg und kam auf unangenehmer Tuchfühlung mit Edmund zum Stehen.
Er rückte diskret ein Stück nach hinten.
„Ich hatte dir ja erzählt, Manfred, dass Edmund Görtz auch ein Blog hat“, setzte Leichhardt seinen Kollegen ins Bild.
Schorndorf grunzte. „Ich hasse Blogs. Bevor du weißt, wer dir antwortet, kotzt er dich schon voll.“
„Manfred.“
„Ist doch wahr! Und Hagenmeister will mir die ganze Zeit erzählen, wie toll das alles ist! Kommissare sollen Kriminalnachrichten in die ganze ganze Welt funken! Spinne ich? Online-Kolumnisten werden? der ist wohl nicht ganz dicht. Das soll er mal schön selber machen! Oder die Pressestelle! Wofür ist sie da?.“ Anklagend sah er Leichhardt an. „Aber du machst da ja auch noch mit ...“
Leichhardt unterbrach seine Suada. „Es ist ein interaktives Format, Manfred, das es uns erlaubt, direkt mit dem Bürger zu kommunzieren.“
„Aber wer will das? Ich nicht. Ich kommunziere genug mit den Bürgern, danke. Ich probiere rauszukriegen, wen sie gerade wieder gekillt haben. Das reicht mir völlig an Bürgern.“ Schlechtgelaunt sah er Edmund an. „Haben Sie diesen ... wie heißt er nochmal ... Arnold Menz umgebracht? Eh?“
Entrüstet schlug Edmund mit der Hand auf den Tisch. „Ich habe niemanden umgebracht!“
Schorndorf sah ihn scharf an. Nahm sich die Akte Arnold Menz vor und blätterte darin. „Wann ist der Mord passiert? Bring mich doch mal auf den Stand, Ludwig!“
„Es gibt keine Leiche, Manfred.“
„Oho!“, Schorndorf hob den Zeigefinger, „Es gibt keine Leiche. Das ist ja ganz neu! Wär ja auch zu schön gewesen! Dass wir hier zu tun gehabt hätten!“ Wieder fixierte er Edmund. „Aber wenn wir sie nicht haben, haben Sie sie wahrscheinlich?“
Edmund hatte den Faden verloren. „Wen?“
„Die Leiche! Weil ...“, wiederholte der Kommissar, „bei uns ist sie nicht!“
Edmund zog die Augenbrauen hoch. „Bei mir auch nicht.“
Schondorf blätterte in den Unterlagen und versuchte es anders. „Okay. Sie haben für die Mordnacht also ein Alibi?“
Hilflos wanderte Edmunds Blick zu Leichhardt. „Welche Mordnacht?“
„Das wüsste ich auch gern.“, knurrte der.
Edmund war nicht klar, ob Leichhardt wirklich gereizt war, weil Schorndorf ungebeten das Verhör übernommen hatte oder ob sie alles so abgesprochen hatten, um Edmund in die Enge zu treiben.
„Sakrament ... wann wurde der Komiker umgebracht ... wo ist es ... Menschenskind .... dass mal eine Ordnung in deinen Akten herrschen würde, Ludwig ... laut Aussage dieser ... dieser ... wie heißt die jetzt wieder ... ach so, kapiere ... dieser Nachbarin ... hat sie Menz ... ja, hier ist es ... das gehört angemarkert, Ludwig! ... am 27. Dezember das letzte Mal gesehen. Um Vier.“ Sein Blick wanderte in Edmunds Gesicht. „Wo waren Sie am 27. Dezember? Um Vier, Herr ... wie heißen Sie überhaupt?“
„Görtz“, sagte Edmund matt.
„Herr Görtz.“
Er schüttelte den Kopf. „Wo ich war? Sie stellen vielleicht Fragen! Woher soll ich das wissen?“
„Stellen Sie sich nicht dümmer, als Sie sind!“, herrschte Schorndorf ihn an. „Das dürfte ja nicht schwer zu rekonstruieren sein! Zwischen den Jahren! Lauter Feiertage! Wo haben Sie den zweiten Weihnachtsfeiertag verbracht?“ Schorndorf flatschte ihm einen Kalender hin. „Vielleicht hilft das ja.“
Anobella - 10. Feb, 15:44