um sie (nicht) zu begreifen. dass du unten im klassizistischen, fröhlichen, kulturell überbordenden, in alle jahrhunderte ausstrahlenden kopfsteinpflaster-städtchen stehst und über allem thront die gedenkstätte des kz`s buchenwald.
die häftlinge taten alles, um in buchenwald zu bleiben. die außenlager in thüringen waren die hölle. wer in buchenwald war, hatte eine chance zu überleben.
jorge semprun, der als kommunistischer widerstandskämpfer mit zwanzig da war, liebte diese milde thüringische landschaft. er stand im lager und schaute hinaus und liebte diese hügel.
"Es kommt zuweilen vor, dass ich sehr empfänglich für Kontraste bin. Dass ich davon zutiefst angerührt werde, ich meine damit, dass sie meine Sinne verwirren. Das sie mich treffen, meine ich. Im Laufe dieser Jahre ist das oft passiert. Zum Beispiel der Kontrast zwischen irgendeinem heftigen Glück, sei es auch flüchtig und vergänglich, doch immerhin herzergreifend, und der plötzlich wiedergekehrten Erinnerung - wegen dieses Glücks? - an einen Augenblick im Lager. An einen Augenblick der Qual, inmitten der geräuschvollen, zappelnden, dichtgedrängten, feindlichen Menge nachts im Schlafsaal. An einen Augenblick der Wahnvorstellung angesichts der so banal schönen Landschaft der Thüringer Ebene."
und er liebte goethe. er saß im lager und fragte sich, was goethe zu eckermann über das lager gesagt hätte.
er beschreibt, wie die SS - nicht religiös motiviert - am sonntag nachmittag
besseres essen austeilte.
die deutschen häftlinge (politisch - kommunisten) hatten vorräte gebunkert und gut zu essen, brot, butter, fleisch. sie gaben nichts ab, hatten die harten jahre von buchenwald hinter sich, acht stunden appell stehen. als semprun nach buchenwald kam, hatte die führung nachgelassen, der appell dauerte nur noch drei stunden, dann ging es raus in die fabriken von weimar. diese neuankömmlinge in buchenwald - kommunisten aus ganz europa - hatten keine ahnung von buchenwald, wie es gewesen war, sagten diese schon seit 10 jahren einsitzenden deutschen häftlinge, die die inoffizielle lagerleitung waren, die leute verteilten, in die außenlager schickten, von der kommunistischen untergrundorganisation die empfehlungen erhielten, wer in buchenwald bleiben sollte (und damit gerettet werden konnte) und wer nicht.
von einer rasenden wut gepackt aber schreibt er - als ehemaliger stalinist - über den gulag.
"Kann man mit wenigen Worten die gemeinsame Essenz der Terrorsysteme der Nazis und der Sowjets formulieren? Durch Zwangsarbeit arbeiten zu lassen und zu bessern, umzuerziehen, findet man darin nich die tiefe Idendität zwischen den beiden Systemen, was auch immer die historisch oder sogar geografisch bedingten Unterschiede sein mögen? 1934, als das Innenministerium Hitlers die Normen der administrativen Internierung in den Konzentrationslagern aufstellte, funktionierte das System in der UDSSR schon seit fünfzehn Jahren. Auf der 8. Sitzung des panrussischen exekutiven Znetralkomitees im Februar 1919 hat Dscherschinksi erklärt: "Ich schlage vor, die Konzentrationslager zu beizubehalten, um die Arbeit der Häfltinge, der Individuen ohne regelmäßige Beschäftigung, zu nutzen, also all derjenigen, die nicht ohne einen gewissen Zwang arbeiten können ..." oh welch bewundernswerer Ausdruck! Wer hat nicht mehr oder weniger unter einem gewissen Zwang gearbeitet!"
und, gibt´s den gulag noch?
michail chodorkowski sitzt in krasnokamensk nahe der
chinesischen grenze.
über
leon blum schreibt semprun auch, der auch in buchenwald war und später französischer ministerpräsident wurde.
Jorge Semprun,
Was für ein schöner Sonntag!